Stadtratsantrag der München-Liste: Ein Lobby-Register für München!

Es ist ein zentrales Anliegen der München-Liste: Politik und Verwaltung in München sollen transparenter werden, vor allem bei Bau- und Stadtplanungsprojekten. Dazu soll die Stadt ein verpflichtendes Lobby-Register einführen.

Erfasst werden die Kontakte von Lobbyist*innen und Wirtschaftsvertreter*innen zu Vertreter*innen von Politik und Verwaltung der Stadt München. Am 11.03.2021 hat München-Liste-Stadtrat Dirk Höpner seinen Antrag eingereicht, auch seine Fraktionskollegen von ÖDP/FW haben mit unterzeichnet.

Hier der Link ins städt. Ratsinformationssystem RIS. Und eine SZ-Meldung dazu.

Antrag:

Lobby-Register für die Stadt München

Die Stadt München führt ein verpflichtendes Lobby-Register ein. Erfasst werden die Kontakte von Lobbyist*innen und Wirtschaftsvertreter*innen zu Vertreter*innen von Politik und Verwaltung der Stadt München.

Transparenz in Politik und Verwaltung, Demokratie und Gewaltenteilung sowie ihre Repräsentant*innen auch auf kommunaler Ebene sind zu stärken und den lokalen, regionalen und überregionalen Medien ist die Erfüllung ihrer Aufgaben (Berichterstattung, Kontrollfunktion) zu erleichtern.Versteckte Kosten, welche vor allem Lobbyist*innen und ihren Auftraggeber*innen am meisten Profit bringen, werden erfasst und vermieden, damit Steuer-und anderweitige Einnahmen der Stadt München ausschließlich der Stadt selbst und Ihrer Bevölkerung zu Gute kommt.

Ziel ist die Schaffung eines niederschwelligen Transparenzinstruments, dessen Erstellung, Pflege und Eintragungsaufwand für alle Beteiligten gut zu bewältigen ist. Zur Erarbeitung des Entwurfs für ein verpflichtendes Lobby-Register wird eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern aller Fraktionen des Stadtrats, Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung sowie unabhängiger Expert*innen gegründet.

Begründung:

Lobbyismus gehört heut auf allen politischen und Verwaltungsebenen zum Alltag. Dies senkt das Problembewusstsein auf Seiten von Politik und Verwaltung. Eine Großstadt wie München mit ihren derzeit 1,55 Millionen Einwohnern steht in besonderer Verantwortung für transparentes Handeln und ist dabei ein Vorbild für viele kleinere Kommunen. Auch der Bund hat zwischenzeitlich, auch unter dem Eindruck des ‚Falles Amthor‘ einen Gesetzentwurf für ein Lobby-Register vorgelegt. Was macht mangelnde Transparenz über Kontakte zwischen Lobbyist*innen und Unternehmensvertreter*innen einerseits sowie Politik und Verwaltung andererseits zum Problem?

Rechtlich gesehen handelt es sich bei Lobbyismus um eine Grauzone, wie Lobbyist*innen selbst einräumen. Nicht alles, was rechtlich (gerade noch) erlaubt bzw. nicht verboten ist, ist für gewählte Volksvertreter*innen gegenüber den Bürger*innen, welche sie vertreten, auch moralisch zu rechtfertigen. Die Organisation LobbyControl schreibt treffend: „Wenn Transparenz fehlt, verschafft das vor allem denjenigen Vorteile, die über informelle Wege einen Informationsvorsprung erlangen und durch privilegierte Zugänge Argumente, Informationen und Interessen besser in den politischen Prozess einbringen können.

Der Austausch mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessengruppen gehört zur Demokratie. Doch dieser Austausch braucht Regeln, um einseitiger und intransparenter Einflussnahme vorzubeugen. Solche Regeln fehlen in Deutschland bisher weitgehend – anders als in vielen anderen Ländern. Das hat zu einem deutlichen Verlust an Vertrauen in die Politik geführt. Demokratie lebt letztlich von der Beteiligung und Zustimmung der Menschen.“(1)

In einem Beitrag der SZ (04.08.2020) wird verborgene Einflussnahme als Gefährdung demokratischer Spielregeln thematisiert: „Lobbyisten haben zu viel Einfluss, haben zu viel Macht. So können sie schärfere Auflagen verhindern oder zumindest bremsen. Das wird möglich, weil sich diese Einflussnahmen oft im Verborgenen abspielen […] Geht das so weiter, dann gefährdet das auf Dauer demokratische Spielregeln oder setzt diese sogar außer Kraft. Weil private Gewinnsucht dann weiter über dem Gemeinwohl steht.“(2)

Die Öffentlichkeit sollte den gleichen ausreichenden, rechtzeitigen Zugang haben zu Politiker*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen und zu Informationen über Vorhaben und Planungen wie Lobbyist*innen und deren Auftraggeber*innen.

Lobbyist*innen-Kontakte zu dokumentieren ist daher keine abwegige Idee, die in der Umsetzung nur zusätzliche Arbeit macht, sondern ein grundlegendes Erfordernis moderner und transparenter Politik und Verwaltung.

1) https://www.lobbycontrol.de/2020/01/lobbyregister-aktion/

2) https://www.sueddeutsche.de/politik/lobbyregister-bundestag-lobbyismus-1.5027340

Anlage:

Kriterienkatalog

Ein Lobby-Register sollte folgende Mindestkriterien erfüllen:

  1. Es regelt im Rahmen der gesetzlichen Grundlagen, wer und welche Organisation als Lobbyist*in anzusehen ist und was unter Lobby-Aktivitäten zu verstehen ist. Dazu gehören z.B. Branchenverbände, Unternehmen, Stiftungen, Gewerkschaften, Lobby-und PR-Firmen (‚Agenturen‘ und sonstige Dienstleister*innen), gegen Entgelt lobbyierende Einzelpersonen und Anwaltskanzleien, insoweit sie als Lobbyist*innen und damit über die Rechtspflege hinaus tätig sind. Da eine Abgrenzung zu Non Profit-Organisationen, die kein finanzielles Eigeninteresse für sich oder sie beauftragende Dritte verfolgen, schwierig wird und Konstruktionen vermieden werden sollen, die ein finanzielles Eigeninteresse verdecken, sollten auch Non Profit-Organisationen erfasst werden. Erfasst werden somit alle Akteure, die im direkten Austausch mit der Politik stehen: Unternehmen, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Lobbydienstleister (Agenturen, Kanzleien, selbstständige Einzellobbyist/innen), Stiftungen, parteinahe Organisationen und auch NGOs.
  2. Stadträte*innen und Vertreter*innen von Stadtverwaltung und Kommunalunternehmen sowie Stiftungen und andere, der Stadt München angegliederte oder von ihr getragene Organisationen tragen Kontakte zu Lobbyist*innen verbindlich in das Register ein.Sie geben an, zu welchem Thema und in welchem Kontext sie von den Lobbyist*innen kontaktiert wurden (z.B. telefonische Kontaktaufnahme im Kundenauftrag, Branchenveranstaltung, Mitherausgabe oder Mitgestaltung (z.B. Gastbeiträge) von Branchen-oder Firmen-Publikationen wie Broschüren, mehr oder weniger nützliche ‚Studien‘ oder Bücher, offizielle Einladungen zu Empfängen, inoffizielle Einladungen z.B. zum Wies’n-Treff, etc.) Lobbyist*innen geben gegenüber den Vertreter*innen der Stadt an, in wessen Auftrag sie handeln und wie dieser Auftrag lautet.
  3. Lobbyist*innen erklären, zu welchen Rechtsnormen (z.B. Satzungsbeschlüsse), Verfahren (z.B. Bauleitplanung, Vergabeverfahren) oder Entscheidungen sie Lobby-Aktivitäten durchführen. Die kontaktierten Vertreter*innen der Stadt sorgen dafür, dass diese Angaben in das Lobby-Register eingetragen werden. Das genaue Prozedere der Eintragung festzulegen obliegt der im Antrag genannten einzusetzenden Arbeitsgruppe.
  4. Das Register zeigt auf, wo es persönliche oder organisatorische Verbindungen zwischen Lobby-Akteur*innen und Unternehmen einerseits und Politik und Verwaltung andererseits gibt,
    – z.B. Welche Personen haben für ein Unternehmen oder als Lobbyist*in gearbeitet und sind dann zu einem städtischen Unternehmen oder der Stadtverwaltung gewechselt, das im gleichen Bereich tätig ist wie der frühere Arbeitgeber?
    – z.B. Welche Unternehmer oder Lobbyisten haben über Stiftungen, Spenden, ehrenamtliche Tätigkeiten und vergleichbar Zugang zu Mandatsträgern*innen und Verwaltung erhalten?
  5. Erfasst werden somit auch Lobby-Aktivitäten, die sich nicht auf einen bestimmten Prozess oder ein Projekt beziehen, sondern dem so genannten ‚Networking‘ dienen, also dem Knüpfen von Kontakten, z.B. durch gemeinsame Projekte und Veranstaltungen von Lobby-Gruppen oder Unternehmen mit Vertreter*innen der Stadt.Kontakte, die (noch) nicht in den strafrechtlich relevanten Bereich der Korruption fallen, können dennoch geschäftliche Absprachen begünstigen (‚Grauzone‘). Dem ist durch Transparenz entgegenzuwirken.
    Freiwilligkeit reicht nicht aus, es bedarf einer verbindlichen Verpflichtung.
  6. Das Register legt Sanktionen für Verstöße sowie mögliche Prüfungsverfahren fest.
  7. Die Stadt schult regelmäßig ihre Vertreter*innen sowie Mitarbeiter*innen, die zur Anwendung des Registers verpflichtet sind, entsprechend.